Interview mit Jean Becker zu seinem Film
"Dialog mit meinem Gärtner!


Was hat Sie animiert, einen Film zu machen, als Sie das Buch von Henri Cueco gelesen haben?

Jean Becker: Ich war sofort beeindruckt von der Sprache und der Ausdrucksform des Gärtners, von seinen besonderen Überlegungen. Davon war übrigens sicher auch Henri Cueco beeindruckt, als er diesen Mann traf und dieser ihn veranlasste, ein Buch darüber zu schreiben - um dessen Gedanken somit festzuhalten. Dieser Gärtner ist ein außergewöhnlicher Mensch. Sein Blick auf die Dinge des Lebens ist völlig spontan und naiv, und trotzdem treffend und tiefsinnig. Er ist kein Durchschnittsmensch. Die von Cueco wiedergegebenen Dialoge sind großartig, voller Fremdartigkeit und gesundem Menschenverstand zugleich.

Worin bestand die größte Schwierigkeit bei der Adaption?

Jean Becker: Man musste die Persönlichkeit des Malers quasi völlig erfinden, in der Buchvorlage war er praktisch nur Stichwortgeber für den Gärtner. Zuerst habe ich allein am Drehbuch geschrieben, aber ich habe sehr schnell gemerkt, dass ich mir von jemandem helfen lassen sollte. Und da habe ich natürlich an Jean Cosmos gedacht, weil wir bei der Adaption von EFFROYABLES JARDINS sehr gut zusammengearbeitet haben, und darüber hinaus ist seine Tochter Malerin und somit sicher eine gute Hilfe bei der Entwicklung dieser Rolle. Man musste das richtige Gleichgewicht zwischen den beiden finden, indem man einerseits die Person des Gärtners nicht schwächte und andererseits dem Maler genug Leben und Konsistenz gab.

Haben Sie Henri Cueco nicht zur Zusammenarbeit bei der Adaption aufgefordert?


Jean Becker: Nein, ich habe auch seine Zeichnungen und Bilder nicht verwendet. Damit konnte ich mir das Thema besser aneignen. (...) Und wenn Cueco im Abspann genannt wird, so deshalb, weil wir viele Dialoge des Buches verwendet haben. Ebenso haben wir zum Beispiel auch die Rolle der Frau des Gärtners behalten. Nach der Zusammenarbeit mit Jean Cosmos habe ich auch meinen Freund Jacques Monnet um Rat gefragt, und, als letzte kleine Anregung und ohne ihn zu erwähnen, François D'Epenoux, der "Deux jours à tuer" geschrieben hat, worauf mein nächster Film basiert. Ich lehne keinen gutgemeinten Ratschlag ab. Mir ist es immer am Wichtigsten, alles auszureizen, damit das Drehbuch so gut wie möglich wird!

Wenn man Ihre Verbindung zu Jacques Villeret kennt erwartet man, dass Sie bei der Buchlektüre an ihn denken in der Rolle des Gärtners


Jean Becker: Ich habe tatsächlich zu Beginn das Drehbuch für ihn geschrieben. Die erste Fassung war fast fertig als er starb. Ich musste die Idee also aufgeben, aber ich mochte diesen Gärtner wirklich sehr. Ich begab mich dann auf die Suche nach jemandem, der auch diese Freundlichkeit und Naivität ausstrahlt wie Jacques. Ich fand immer, dass Jean-Pierre Darroussin, der ein völlig anderes Äußeres hat, über eine ähnliche Natur verfügte. Als ich UN AIR DE FAMILLE gesehen hatte, war ich verblüfft über seine Art, andere zu beobachten, mit diesem wohlwollenden Blick … Ich gab ihm das Drehbuch zu lesen, nicht ohne ihm mitzuteilen, dass es ursprünglich für Jacques geschrieben war, und er hat sofort zugesagt. Unsere Zusammenarbeit unterschied sich sehr stark von dem, wie es mit Jacques gewesen wäre. Nicht nur, weil wir uns nicht kannten, aber er hat der Rolle dann auch eine Natürlichkeit verliehen, eine Einfachheit und wahre Tiefe.

Was hat Sie bewogen, die Rolle des Malers Daniel Auteuil zu übertragen?

Jean Becker: Eine Art Intuition. Mir gefiel die Idee, ihn in einer sehr einfachen Geschichte wiederzusehen, und ich wusste, durch seine Darstellung würde die Rolle auch Tiefgang haben. Daniels große Qualität besteht darin, dass er ein perfektes Empfinden für eine Situation besitzt. Er kapiert sofort. Ein Augenzwinkern, ein Blick, und er hat verstanden. Er ist ein Schauspieler mit einer bemerkenswerten Sachlichkeit, der immer den richtigen Ton trifft.

Wodurch ergänzen sich die Beiden Ihrer Meinung nach?

Jean Becker: Sie sind sich einerseits sehr nah und andererseits sehr verschieden, aber es stimmt, dass sie sich wunderbar ergänzen! Jeder der beiden kann auf seine Art Gefühle auslösen. Sie verfügen beide über die gleiche Feinsinnigkeit, die gleiche Natürlichkeit, die gleiche Selbstverständlichkeit. Außerdem haben Jean-Pierre und Daniel, die meiner Meinung nach wirklich glücklich waren über ihre erste Zusammenarbeit, sofort eine Komplizenschaft hergestellt, die die Beziehung zwischen ihren Rollen bereichert hat. Das sieht man an den Blicken, an der Art, wie sie sich gegenseitig zuhören … Ehrlich gesagt, ich könnte mir kein besseres Duo vorstellen. Sie haben alle meine Erwartungen übertroffen.

Wie würden Sie Ihre Grundsätze für die Regiearbeit in dem Film definieren?

Jean Becker: Sie sind einfach. Ich filme mit zwei Kameras und verschiedenen Einstellungen: Großaufnahme, Halbtotale, Totale. Das verschafft uns ein Maximum an Möglichkeiten beim Schnitt und außerdem bin ich der Meinung, dass sich bei einem Film wie diesem die Regie nicht bemerkbar machen muss. Man muss nur die Personen beobachten und bei ihnen sein.




Interview mit Benno Fürmann und Jessica Schwarz zu ihrem neuen Projekt "
WARUM MÄNNER NICHT ZUHÖREN UND FRAUEN SCHLECHT EINPARKEN" von Leander Haußmann ("Sonnenallee"; "Herr Lehmann")


BENNO FÜRMANN (Jan)


Was hat Ihnen an WARUM MÄNNER NICHT ZUHÖREN UND FRAUEN SCHLECHT EINPARKEN besonders gefallen?

BENNO FÜRMANN Mir gefiel, dass das Drehbuch so absurd und ironisch ist und das Leander Haußmann, der ja sowieso ein kreatives Bollwerk ist, die Geschichte ebenso ironisch umsetzen würde. Wir spielen in dem Film mit vielen Klischees über Männer und Frauen, und wenn man das nicht richtig anfasst, können solche Klischees nur schwer erträglich werden. Aber wir haben stets nach der Lücke gesucht, mit der wir diese Klischees ad absurdum führen können und in denen letztlich der Witz über diese Klischees steckt.

Wie sehen Sie Ihre Figur Jan?

BENNO FÜRMANN Naja, Jan ist schon ein klassischer Vertreter der modernen Spezies Mann. Er liebt Fußball, er steht auf coole Autos und natürlich auf Frauen, aber er hat auch seine feinfühlige, sensible Seite. Für mich verkörpert er die typisch männliche Vermischung von Paranoia, Testosteron und Durchsichtigkeit.

Und welche Art von Frau ist Katrin?

BENNO FÜRMANN Wenn Sie das raus gefunden haben, dann sagen Sie es mir bitte. Ich hab nämlich keine Ahnung. (grinst) Nein, Katrin ist eine wunderschöne, sinnliche, charmante Frau… sehr intelligent und souverän. Damit muss Jan erstmal klarkommen, und das versucht er mit seinen typisch männlichen Mitteln. Und weil er im Verlauf der Geschichte sozusagen bei sich selbst ankommt, findet er auch zu Katrin, und so lüftet sich langsam für ihn der geheimnisvolle Schleier, der über dieser Frau liegt.

Wie haben Sie sich im Kostüm des Neandertalers gefühlt?

BENNO FÜRMANN Erstmal bedeutete das Spielen eines Neandertalers für uns Schauspieler eine verdammt lange Zeit in der Maske. Zwei Stunden oder länger haben wir Make-up- und Kunststoffteile aufs Gesicht gepackt bekommen und klebriges Fell von Tieren, von denen ich nicht mal die Namen kannte. Aber es macht schon Spaß, wenn man danach in den Spiegel schaut und es blickt einem eine Urfratze entgegen.

Bei einer bestimmten Szene trugen Sie allerdings gar kein Kostüm…

BENNO FÜRMANN Wenn im Drehbuch auf 20 Seiten ein nackter Hintern erwähnt wird, ahnt man als Schauspieler so ganz latent, was auf einen zukommt. Dann heißt es: Hosen runter! Kann ja auch befreiend sein. Es ist natürlich was anderes, ob man bekleidet und eisleckenderweise über den Ku’damm schlendert oder nur mit einer geblümten Schürze bekleidet von Rockern verfolgt um sein Leben rennt – das ist absurd, aber so fühlt sich unser Held Jan ja zumindest.

Hand aufs Herz: Können Sie besser zuhören oder besser einparken?

BENNO FÜRMANN Hmmm. Also, ich glaube, ich weiß, wie man den Mund hält. Einparken kann ich auch – ich würde sagen, ich kann beim Autofahren irre gut zuhören!



JESSICA SCHWARZ (Katrin)


Ist WARUM MÄNNER NICHT ZUHÖREN UND FRAUEN SCHLECHT EINPARKEN ein Lehrfilm?

JESSICA SCHWARZ: Zumindest finden sich darin gewisse Ansätze eines klassischen Lehrfilms wieder: Wenn man vom Erzähler beispielsweise erklärt bekommt, was der Hypothalamus ist. Das ist einer der Momente, in denen psychologisch etwas passiert und in denen der Lehrgedanke in den Vordergrund tritt. Ich habe bei der Arbeit an dem Film selbst viel gelernt – dass die Nase juckt wenn man lügt, zum Beispiel.

Wie lässt sich Ihre Figur Katrin kurz beschreiben?

JESSICA SCHWARZ: Katrin ist eine Frau, die fest im Berufsleben steht, die klar und deutlich zu sagen versteht, dass ihr die Karriere wichtig ist. Aber sie ist auch in der Lage, tief zu fühlen. Ihre Beziehung ist ebenso wichtig für sie, auch wenn sie manchmal darüber nicht so richtig sprechen kann. Katrin liebt Jan, aber er ist noch ein Kindskopf, der gerade erwachsen wird und noch nicht so richtig weiß, was er will. Als sie Jonathan Armbruster kennenlernt, sagt sie sich darum: Bei dem hätte ich es doch eigentlich viel besser. Sie will in einer Beziehung reifen, und diese Perspektive bietet ihr Jan ihrer Meinung nach nicht.

Was genau fasziniert Katrin denn an Armbruster?

JESSICA SCHWARZ: In erster Linie natürlich, dass er so ein welterfahrener Mann ist. Darum wird er von vielen Frauen leidenschaftlich verehrt. Er hat einen Eisbären mit einem Messer erlegt, er hat mit Krokodilen gekämpft, er hat die ganze Welt bereist. Aber dennoch ist er sensibel und ein bisschen esoterisch. Im Grunde hat Armbruster etwas Verwegenes. Er ist in ihren Augen eine Art Indiana Jones.

Wie ist Leander Haußmann als Regisseur?

JESSICA SCHWARZ: Er ist einfach toll. Zum einen ist er ein großartiger Mensch. Dann hat er selbst lange und oft genug geschauspielert, dass er weiß, wann er uns Schauspielern helfen und wann er uns einfach laufen lassen muss. Und er legt sich immer hundertprozentig hinein in das, was er tut. Egal, ob morgens um 10 oder nachts um vier Uhr: Wenn er sagt: „Hmmm… da fehlt noch was“, dann macht er seine kleine mentale Schatulle auf und kommt mit einer neuen, wunderbaren Idee. Diese Schatulle hat uns viele Dinge beschert, und als Schauspieler wird man ständig davon beflügelt, weil man sich ebenso anstrengt wie Leander. Das ist, als würde man ständig Vollgas geben.

Wie war es, die katastrophalen Einpark-Versuche von Katrin zu drehen?

JESSICA SCHWARZ: Ich bin eine leidenschaftliche Autofahrerin und – glauben Sie’s oder nicht – ich parke unglaublich gern ein. Aber ich verfüge auch über ein gewisses Maß an Selbstironie, darum fand ich es sehr witzig, so tun zu müssen, als könne ich gar nicht Auto fahren. Besonders, als wir diesen unglaublichen Stunt gedreht haben, bei dem Katrin in einer 180-Grad-Drehung über den Ku’damm schliddert. Aber letztlich bin ich doch sehr froh, zu den 34 Prozent jener Frauen zu gehören, die tatsächlich einparken können.

Warum darf man WARUM MÄNNER NICHT ZUHÖREN UND FRAUEN SCHLECHT EINPARKEN auf keinen Fall verpassen?

JESSICA SCHWARZ: Weil wir alle Männer und Frauen sind. Und dank dieses Films werden wir alles über das schwierige Verhältnis der Geschlechter verstehen und können sogar darüber lachen! Und vielleicht werden wir danach versuchen, unsere Beziehungen mit ein bisschen mehr Humor zu nehmen und ein bisschen ehrlicher da ranzugehen.

filminformer-Filmkritik zu diesem Film auf der Dezember-Seite.




Interview mit Michael Bully Herbig zu seinem neusten Film "Lissi und der wilde Kaiser"
 
Hast Du Dich bei Deinen früheren Filmen einmal zu oft über die Schauspieler geärgert? Oder wie sonst kam es zu der Idee, „Lissi und der wilde Kaiser“ als Animationsfilm zu drehen?
 
Naja, nach dem demokratisch gewählten Film „(T)Rraumschiff Surprise – Periode 1“ haben mich immer wieder Leute angesprochen und gesagt: „Mei, die Lissi hätten wir aber auch sehr gern gesehen!“ Und ich dachte nur, mit fast 40 kann ich mich doch nicht mehr in dieses enge Sissi-Kostüm zwängen und diese Perücke aufsetzen, die sich wie ein Klotz Beton auf dem Kopf anfühlt. Ein Drehtag mit dem Ding ist die Hölle!
Aus diesem Grund kam ich dann auf die Idee, endlich den Animationsfilm zu machen, den ich seit gut 30 Jahren im Kopf hatte. Mein erster Film, den ich mit ungefähr 10 begonnen habe, sollte nämlich ein Animationsfilm werden. Ich habe mich damals in den Ferien auch wirklich hingesetzt, während draußen die Sonne schien und die anderen Kinder Fußball spielten, und habe begonnen, die ersten Bilder zu malen. Bis ich dann feststellte, dass man für eine Sekunde Film 24 Bilder braucht und mir auch irgendwann die Stifte ausgegangen sind. Deshalb habe ich das Projekt damals für rund 30 Jahre auf Eis gelegt. Jetzt wird dieser Traum wahr. Und gleichzeitig habe ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Ich habe meinen Animationsfilm und die Leute bekommen „Lissi“, ohne dass ich mit der Perücke kämpfen muss.
 
Damit können wir also den bösen Verdacht entkräften, Du wolltest ganz einfach Liebesszenen mit Christian Tramitz vermeiden?
 
Natürlich werden die Leute nach jedem denkbaren Grund fragen, warum ich die Lissi nicht leibhaftig gespielt habe. Für einen kurzen Sketch im Fernsehen hätte ich mir das vielleicht auch noch mal vorstellen können. Aber für einen großen Film auf der großen Leinwand mit schönen Bildern und großen Gefühlen...? Da kann ich in der Rolle einer schönen Frau einfach nicht überzeugen! Und natürlich hatte ich auch Angst vor einer Kussszene mit Christian Tramitz. Das hätten die Leute auch nicht wirklich gern gesehen. Die meisten, zumindest... .
 
Wann entstand die Idee zu „Lissi“, wie viel Arbeits- und Lebenszeit steckt in diesem Projekt?
 
Die Idee entstand 2004 als, wie gesagt, die Leute meinten, sie würden auch Lissi gern noch als Film sehen. Genau genommen kam  sie mir eines Morgens unter der Dusche und ich habe sofort mit mir selbst entschieden: So machen wir’s! Im Büro habe ich dann gleich alle zusammengetrommelt und gesagt: Ich weiß jetzt, was wir als nächstes machen. Sissi, als Animationsfilm. Da gab’s dann erstmal betretenes Schweigen und diese leicht mitleidig-fragenden Blicke. Die berechtigte Frage war, was Sissi denn 90 Minuten lang machen sollte. Die konnte ja schlecht die ganze Zeit mit Franz im Park herumlaufen. Ich hab´ dann nachgedacht, welche durchgeknallten Charaktere es in der „bullyparade“ und in „Bully & Rick“ noch gab und mir fiel ganz schnell der Yeti ein. Von diesem Moment an war schon mal klar: Die Sissi wird vom Yeti entführt – und wir hatten unseren Plot.
Bis dahin ging es ganz schnell, der Rest war etwas langwieriger. Mein Co-Autor Alfons Biedermann und ich haben uns dann hingesetzt und haben bis Ende 2004 das Drehbuch geschrieben. Anfang 2005 bin ich dann in die Produktion eingestiegen.
 
Basis des Films sind die kurzen Sissi-Sketche aus der „bullyparade“. Wie macht man daraus einen Spielfilm, ohne dass er am Ende eine simple Aneinanderreihung komischer Momente ist?
 
Während wir an dem Drehbuch gearbeitet haben, mussten wir uns immer wieder daran erinnern, dass wir ja einen Animationsfilm machen wollen und man sich deshalb auch dieser Technik bedienen sollte. Heißt: Wir konnten ein bisschen cartooniger werden. Die Figuren können sich viel schneller bewegen, sie können ganz andere Grimassen ziehen, können sich ganz anders verbiegen. Kein realer Schauspieler – und schon gar nicht Rick Kavanian – könnte beispielsweise längere Zeit in einem 90 Grad Winkel verharren. Wenn man sich das permanent vor dem geistigen Auge vorstellt, kommt man relativ zügig voran.
Auf der anderen Seite wollte ich nicht einfach einen Cartoon-Film machen, sondern eben auch eine Hommage an die Sissi-Filme der 60er Jahre. Deshalb war es mir auch enorm wichtig, dass wir uns an dem Look dieser Filme orientieren, auch wenn wir einen Animationsfilm machen. Bei den Farben beispielsweise, den Kameraeinstellungen und auch den Kamerafahrten. Du kannst ja bei Animationsfilmen mit der Kamera alles machen, sogar durch die Nase in den Kopf fliegen und beim Ohr wieder raus – die Frage ist dann aber, ob das für deinen Film ein Gewinn ist. Wir haben die Möglichkeiten genutzt, wenn es der Geschichte diente. Aber im Grunde sind Einstellungen und Fahrten den realen Sissi-Filmen nachempfunden.
 
Lissi und Franz sind jedem vertraut, der einmal die „bullyparade“ gesehen hat. Ein paar andere Figuren im Film aber sind sicher nur Bully-Fans der allerersten Stunde bekannt. Welche sind das, was gibt es über die zu erzählen?
 
Die ersten Figuren, die ich mir überhaupt je ausgedacht habe und von denen ich ganz sicher nicht dachte, dass sie es jemals auf die Kinoleinwand schaffen würden, waren Ignaz Huber und Franz Schwaiger. Damals waren das die Bayern-Cops, die „Männer von Isar 3“ in einer Hörfunkserie von 1992. Davon habe ich ungefähr 800 Folgen geschrieben und dann mit Rick in der Rolle des Schwaiger gesprochen, später kam noch Christian Tramitz als Walter Wanninger dazu.  Ignaz Huber und Franz Schweiger sind quasi der Urknall von Ignaz und Schwaiger in „Lissi und der wilde Kaiser“ und es freut mich wahnsinnig, dass sie im hohen Alter und nach fast 15 Jahren Pause den großen Sprung vom Radio auf die Leinwand geschafft haben.
 
Die Charaktere im Film brauchen natürlich auch eine Stimme. Wie bist Du auf die Richtigen gekommen, wie castet man beispielsweise einen Yeti?
 
Bei Lissi, Franz und dem Feldmarschall war es relativ simpel. Die waren ja quasi schon gesetzt. Beim Yeti war es etwas anderes. Als die Figur dann auch optisch Gestalt annahm, haben wir lange überlegt, wer darauf passen könnte. Dann horcht man monatelang überall nur noch auf Stimmen. Ich habe ferngesehen, bin ins Kino gegangen... – und habe trotzdem nirgends meinen Yeti gehört. Irgendwann saß ich dann bei der Verleihung des Comedy-Preises – es muss 2005 gewesen sein – und sah auf der Bühne Waldemar Kobus wieder, den ich beim „(T)Rraumschiff“ schon für eine ganz kleine Rolle als Ritter besetzt hatte. Neben mir saß Rick und ich hab´ nur gesagt: „Guck mal, das ist er!“ Ich habe ihn an dem Abend noch angesprochen und er hat sofort zugesagt, weil er immer schon Lust auf einen Animationsfilm hatte. Ich glaube, mit der Zeit ist der Waldemar dann auch so ein bisschen zum Yeti geworden. Besonders mit den mächtigen Koteletten, die er neuerdings trägt.
Für die Kaiserin Mutter haben wir Gott sei Dank  Lotte Ledl gefunden, die ein echter Glücksgriff war. Außerdem war es ganz einfach ein Ritterschlag für den Film, dass eine große Theaterschauspielerin aus Wien diesen Part übernommen hat. Ansonsten haben wir fast alle Rollen selbst übernommen. Christian spricht den Franz und den Schwiegerpapa. Rick spricht den Feldmarschall, König Bussi von Bayern und den Schwaiger. Und ich habe Lissi, Ignaz und den Falthauser übernommen. Einiges, was sonst noch so übrig war, habe ich dann wieder Rick sprechen  lassen. Rick ist so was wie die Allzweckwaffe. Der kann alles. Du stellst ihm jemand hin, lässt den einen Satz sprechen und dann kann Rick ihn imitieren. Wenn mir nichts mehr einfällt, rufe ich ihn an und sage: „Mach mir einen russischen Eiskunstläufer“. Und er macht das, einfach so. Rick hätte auch ein Eichhörnchen sprechen können, wenn wir denn eins gebraucht hätten. Oder Igel, Autos, Schuhe... – Rick spricht einfach alles.
 
Amerikanische Animationsfilme haben in der Regel ein 100-Millionen-Dollar-Budget. Du hattest für Deinen Film etwas weniger zur Verfügung – kann er sich trotzdem an großen Hollywood-Produktionen messen?
 
Das ist eine Frage, die ich selbst ganz schwer beantworten kann. Animationsfilme aus Hollywood sind natürlich wahnsinnig aufwändig gestaltet, mit gigantischen Budgets. Da ist alles animiert, da bewegt sich das Gras im Wind... – manchmal sieht man erst auf den dritten Blick, wo das Geld geblieben ist. Natürlich hat man den Ehrgeiz, auch mit einem kleinen Budget da mitzuhalten. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass letztlich die Geschichte und der Humor die entscheidendere Rolle spielen und ich denke, dass man sich deshalb in unseren Film prima reinziehen lassen kann. Das schönste Kompliment bisher kam von einem Kollegen, der nach fünf Minuten meinte: ich habe völlig vergessen, dass ich in einem Animationsfilm bin. Offensichtlich scheint die Idee aufzugehen, die Figuren stimmig zu gestalten, ihnen Aufgaben und Probleme mit auf den Weg zu geben.
 
Wo liegen für einen Regisseur die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Real- und einem Animationsfilm?
 
Der entscheidendste Unterschied: Regisseur eines Animationsfilms zu sein ist ein sehr einsamer Job! Du stehst nicht mit Team und Schauspielern im Studio oder irgendwo im Freien am Set und probst und drehst. Stattdessen sitzt du zuerst mal vor einer sehr großen Gruppe von Computer-Spezialisten und erklärst ihnen, was du gerne hättest. Das sind allesamt hochbegabte Künstler, die beispielsweise Kleider und Haare bewegen können oder dir ein Set gestalten. Du kannst ja nicht in den Fundus gehen und sagen: Ich brauche mal einen Sessel. Das musste alles erst gezeichnet, dann im Computer nachgebaut und anschließend bearbeitet werden. Das ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Ich glaube, nach einem Jahr hatte ich mein virtuelles Set im Computer. Jetzt kannst du die Figuren hinein stellen und erst dann geht das eigentliche Inszenieren und Spielen los. Man bestimmt Kamerafahrten und Brennweiten. Das ist am Anfang ein sehr, sehr zäher Prozess und etwa anderthalb Jahre lang habe ich gedacht: Das wird nie fertig! Doch danach ging es richtig schnell. Dann kamen die Leute, die die Kleider und Frisuren simuliert haben und ein Kameramann, mit dem die Ausleuchtung der einzelnen Szenen bestimmt wurde ... –  das alles hat insgesamt fast drei Jahre gedauert. Und damit haben wir den zweiten großen Unterschied: Als Regisseur brauchst du immer viel Geduld. Aber bei einem Animationsfilm noch unendlich viel mehr, als bei einem Realfilm!
 
Wie hast Du diese Geduld aufgebracht? Bei einem Realfilm sieht man die Muster eines Drehtags meist schon am Tag danach... .
 
Mehr noch! Bei einem Realfilm weißt du letztlich schon am Ende des Drehtags, welche Bilder du hast und kannst sie abends im Bett gedanklich schon  mal zusammen schneiden. Und wenn eine Einstellung nicht gelungen ist, kannst du sie immer noch kurzfristig nachdrehen. Hier wartest du fast zwei Jahre darauf, den Film in einer frühen Fassung sehen zu können. Hast dann aber auch bereits 80 Prozent deines Budgets verpulvert und deshalb ein echtes Problem, wenn die Bilder nicht aussehen, wie du es dir vorgestellt hattest. Entsprechend glücklich bin ich natürlich, dass „Lissi und der wilde Kaiser“ so geworden ist, wie er ist.
 
Da wir gerade noch einmal beim Stichwort Budget sind: Wie oft musste der Produzent Bully dem Regisseur und Autor Bully eine schöne Idee ausreden, weil sie schlicht und einfach zu teuer geworden wäre?
 
Eigentlich gar nicht so oft. Nicht etwa, weil wir keine schönen teuren Ideen hatten. Sondern weil wir bereits im Vorfeld abgeklärt haben, wie viele Figuren wir uns „leisten“ können und was sie dürfen, oder auch nicht dürfen. Beispielsweise dürfen sie nicht in die Tasche greifen, weil das Animieren solcher Details sehr aufwändig ist. Sie dürfen sich auch nicht die Haare raufen oder kämmen, eine Figur mit Fell, wie unser Yeti, ist unheimlich aufwendig ... – also im Grunde ganz viele kleine Dinge. Wenn man diese Dinge nicht beachten würde, bräuchte man für die Umsetzung so viel Rechnerkapazität, dass man wahrscheinlich die NASA bräuchte. Das haben wir also schon so weit es ging bei der Entwicklung berücksichtigt. Trotzdem passiert es dir immer noch, dass du den Animatoren etwas vorspielst, was du wahnsinnig komisch findest. Und siehst dann eine Gruppe Menschen, die einfach nur kollektiv den Kopf schütteln. In solchen Momenten kannst du nur ganz schnell sagen: Okay, wir machen es anders.
 
Gab es zwischendrin Momente in denen Du das mulmige Gefühl hattest, Dir etwas zu viel vorgenommen zu haben?
 
Nein, so weit ging es nicht. Es war zwar immer aufregend und spannend, aber ich konnte mich auch ganz prima motivieren, wenn ich etwas Neues zu sehen bekam. Als die Storyboards endlich fertig waren, beispielsweise, und damit der erste große Schritt geschafft war. Oder als nach einem halben Jahr das Characterdesign beendet war und diese Tonfiguren, die so genannten Marquettes vor mir standen.
 
Ganz nebenbei: Der Film hatte ursprünglich den Codenamen „Die Kugel“. Hatte der irgendeine Bedeutung?
 
Nee, ich denke mir immer Decknamen für Filme aus damit die Leute nicht gleich wissen, woran man arbeitet. Deckname für „Schuh des Manitu“ war „Der Berg“, „(T)Rraumschiff Surprise“ war „Der Kreis“, jetzt „Die Kugel“.... – langsam gehen mir die Codenamen aus. Vielleicht mache ich als nächstes „Die Brotkiste“, das wäre auch noch ein schöner Deckname. Zumal die Branche angesichts zweier Substantive im Code dann sicher munkeln würde, dass ich an einem Zweiteiler arbeite.
 
 Auch wenn die Dame in deinem Film – wahrscheinlich aus rechtlichen Gründen – „Lissi“ heißt geht es einmal mehr um die österreichische Kaiserin Sissi...
 
Gleich eine Korrektur! Die Kaiserin Sissi hat ihre Briefe immer mit „Lissi“ unterschrieben. Nur war das L so schön geschwungen, dass alle ein S daraus gelesen haben. Damit sind wir also der Wahrheit ein ganzes Stück näher gerückt.
 
Da sind wir schon bei der ersten historischen Ungenauigkeit, die es zu korrigieren gilt. Mit welchen weiteren räumt Dein Film auf?
 
Die „Sissi“-Filme aus den 60ern waren typische Heile-Welt-Filme. Taucht man ein bisschen in die Historie ein, ist man deshalb ganz schnell zutiefst schockiert. Das war ja nicht immer alles so sauber und heil! Also ich könnte jetzt Dinge erzählen... – aber lieber nicht, dann verliert das seinen Charme und man bekommt Angst. Gerade auch vor Kaiser Franz. Aber ich glaube, die Abgründe will gar keiner sehen. Niemand will zu Weihnachten sehen, wie die Sissi nach Hause kommt und sagt: Hey, ich habe Syphillis. Und auch wenn unser Film ein ganzes Stück ehrlicher ist, ist er eben doch ein Film für Weihnachten. Einfach deshalb, weil es mein heimlicher Wunsch ist, dass jedes Jahr zu Weihnachten „Lissi und der wilde Kaiser“ läuft.
 
Zumindest in einem Punkt aber ist Dein Film schonungslos: In den alten Filmen wird schon beim ersten zarten Kuss schamhaft abgeblendet. In „Lissi und der wilde Kaiser“ dagegen geht es bei Kaisers richtig zur Sache... .
 
Ich habe extra ein paar Kussszenen eingebaut, weil ich finde, dass so etwas zum großen Kino gehört. Ich habe dabei schon an die ganz großen Filmküsse gedacht, wie in „Vom Winde verweht“, „Titanic“, oder auch „Flipper“. Wir haben da schon einige sehr schöne Szenen – und spätestens bei denen werden die Leute auch verstehen, warum ich die Lissi nicht selbst gespielt habe. Lissi macht Dinge in diesem Film, die ich gar nicht machen kann. Und wenn ich es könnte, würde es unvorteilhaft aussehen!
 
Das macht jetzt neugierig. Was genau meinst Du?
 
Nicht missverstehen! Ich meine eher so die figurbetonten Kleider, bei denen um die Hüften alles rausquellen würde, wenn ich sie tragen würde. Auf hohen Schuhen gehen kann ich auch nicht. Ich hätte mich da im Film doubeln lassen müssen … wahrscheinlich von Rick.
 
Sind die alten Sissi-Filme für Dich großes Kino, oder großer Trash?
 
Ich finde, sie sind wirklich großes Kino! Sie werden zwar heute oft als Trash gesehen, aber das ist grundfalsch. Dazu ist allein schon ihre Ausstattung viel zu aufwändig. Würdest du das heute auf diese Weise produzieren wollen, wären die Filme kaum zu finanzieren. Die haben so viele Komparsen, so viele Locations, alles ist bunt und mächtig und aufgeblasen. Sie waren zu Recht so erfolgreich und ich finde, sie sind ein Stück Kinogeschichte.
 
Welche Stilelemente hast Du aus ihnen übernommen?
 
Als wir den Look für unseren Film entwickelt haben, habe ich gesagt: Die Leute müssen sofort das Gefühl bekommen, einen Sissi-Film zu sehen. Das hängt – für die meisten sicher unbewusst – mit Farben zusammen. Mit Kameraeinstellungen, mit der Inszenierung. Das Publikum soll vergessen, dass es einen Animationsfilm sieht. Natürlich ist auch ein Stück Fantasy dabei, aber im Vordergrund steht die Welt der Lissi. Dafür stehen Namen wie „Schloss Schöngrün“ oder „Schloss Neuzahnstein“, Freischwimmer, die sich im Wald verstecken. Oder die abtrünnigen Nudisten, die gemeinsam mit den Partisanen transpirieren!
 
Wir haben natürlich auch alle anderen am Film Beteiligten gefragt, aber gerade deshalb ist Deine eigene Einschätzung interessant: Wie leicht oder schwer ist es, mit Dir zu arbeiten? Bist Du eher der Waldorf-Regisseur, oder doch ziemlich autoritär?
 
Es ist extrem schwer, sich selbst zu beurteilen. Was ich sagen kann: Ich will Spaß haben bei der Arbeit, ganz egal, ob Real- oder Animationsfilm. Und ich hoffe immer, dass das für andere ansteckend ist. Dummerweise muss es eben immer einen geben der sagt, wie es gemacht wird. Man kommt nicht weiter, wenn man ständig fragt: „Du, ist das okay, wenn du jetzt von rechts nach links durchs Bild gehst?“. Spätestens wenn die Sonne am Set langsam untergeht, sagt man: „Kannst du bitte etwas schneller von rechts nach links gehen!“. Aber das ist nicht diktatorisch und ich versuche es beim Realfilm immer so hinzukriegen, dass am Set noch Zeit für Improvisation bleibt. Beim Animationsfilm hast du das Glück, über einen Zeitraum von zwei Jahren immer noch daran feilen zu können. Zumindest, wenn es um Details geht wie die Frage, wie weit jemand eine Augenbraue hochzieht oder wie schnell sich ein Charakter  durchs Bild bewegt.
 
„Lissi und der wilde Kaiser“ ist der dritte Film mit Figuren aus der „bullyparade“. Taugen noch weitere für einen Spielfilm, oder ist dieser Film für Dich auch so etwas wie der Abschluss eines Kapitels?
 
Für mich ist dieser Film der optimale Abschluss der bullyparaden-Phase. Die „bullyparade“ ging 1997 das erste Mal on Air, jetzt haben wir 2007. Zehn Jahre sind seitdem vergangen und wir haben die drei prominentesten Themen ins Kino gebracht. Ein Jahrzehnt, eine Trilogie... – schon, als wir mit „Lissi“ begonnen haben, habe ich mich bereits darauf gefreut, bald meine eigene Trilogie im DVD-Regal zu haben! Da kann ich dann mein Leben lang drauf gucken. Und darum geht es doch: Man sollte immer ein wenig stolz sein können auf das, was man gemacht hat.
 
 
 
 
 
 
 
 

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